BARDEHLE PAGENBERG erfolgreich für TomTom gegen Pioneer in Streitkomplex zu Spracherkennung und Navigation

Pressemitteilung vom 31. März 2025

Am 6. Februar 2019 erhob Pioneer Verletzungsklagen aus insgesamt drei Patenten: EP 2 261 877 vor dem Landgericht Hamburg, sowie EP 2 447 941 und EP 2 447 942 vor dem Landgericht Mannheim. 

Sechs Jahre später steht nun endgültig fest: Keines der von Pioneer geltend gemachten Patente ist rechtsbeständig und verletzt. Das EP 2 261 877 und das EP 2 447 941 wurden vollumfänglich für nichtig erklärt. Das EP 2 447 941 und das EP 2 447 942 sind nicht verletzt. Ferner widerrief das Europäische Patentamt vier weitere Patente (EP 3 043 349, EP 3 618 065, EP 2 923 876 und EP 2 793 193) von Pioneer vollumfänglich. Alle Entscheidungen sind rechtkräftig. 

Die vollumfängliche Nichtigerklärung des EP 2 447 941 hat patentrechtlichen Seltenheitswert, denn der Bundesgerichtshof erklärte das Patent wegen einer unzulässigen Zwischenverallgemeinerung für nichtig.  

Die Europäischen Patente EP 2 447 941 und EP 2 447 942 betreffen die Nutzerführung in Spracherkennungssystemen, wie sie beispielsweise in Navigationssystemen zum Einsatz kommt. Pioneer behauptete, dass diese Patente durch bestimmte Navigationssysteme von TomTom verletzt würden. Das LG Mannheim wies die Verletzungsklagen wegen EP 2 447 941 und EP 2 447 942 mit Urteil vom 8. November 2019 mangels Verletzung zurück (AZ: 7 O 11/19). Mit Urteil vom 8. Dezember 2021 wies das OLG Karlsruhe auch die Berufung von Pioneer zurück (AZ: 6 U 123/19). Eine Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof (AZ: X ZR 2/22) nahm Pioneer später zurück. 

Das Europäische Patent EP 2 261 877 betrifft die Routenführung und Verarbeitung von Stauinformationen in einem Navigationssystem. Pioneer behauptete, dass gewisse Navigationssysteme von TomTom die geschützte Technik verwenden würden.

TomTom erhob Nichtigkeitsklagen gegen EP 2 447 941, EP 2 447 942 und EP 2 261 877, um sich gegen die Vorwürfe zu verteidigen. Das Bundespatentgericht erklärte das EP 2 261 877 mit Urteil vom 15. Dezember 2022 (AZ: 2 Ni 47/20 (EP)) vollumfänglich für nichtig. Pioneer legte keine Berufung ein und nahm stattdessen die Verletzungsklage vor dem LG Hamburg (AZ: 315 O 23/19) kostenpflichtig zurück. 

Mit Urteilen vom 26. Mai 2021 wies das Bundespatentgericht die Nichtigkeitsklagen von TomTom gegen EP 2 447 941, EP 2 447 942 zurück (AZ: 4 Ni 3/21 (EP) und 4 Ni 4/21 (EP)). TomTom legte daraufhin Berufung beim Bundesgerichtshof ein. 

Der Bundesgerichtshof hob das Urteil des Bundespatentgerichts bezüglich EP 2 447 941 auf und folgte der Argumentation von TomTom, dass der Gegenstand des EP 2 447 941 unzulässig zwischenverallgemeinert war und erklärte das Patent mit Urteil vom 11. Januar 2024 (AZ: X ZR 68/21) daher vollumfänglich für nichtig. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gilt ein strenger Maßstab für das Vorliegen einer unzulässigen Zwischenverallgemeinerung. Es kommt daher selten vor, dass ein Patent – wie hier – wegen einer unzulässigen Zwischenverallgemeinerung vom Bundesgerichtshof widerrufen wird. 

Der Bundesgerichtshof hielt das EP 2 447 942 mit Urteil vom 11. Januar 2024 für rechtsbeständig (AZ: X ZR 73/21), legte dabei allerdings eine höchstrichterliche Auslegung fest, nach derer das EP 2 447 942 unstreitig nicht verletzt war. Die Nichtverletzung hatte zuvor bereits das OLG Karlsruhe bestätigt.

Ferner legte TomTom proaktiv Einspruch gegen die beiden Europäischen Patente EP 3 043 349 und EP 3 618 065 ein, die aus derselben Familie stammen wie EP 2 447 941 und EP 2 447 942. 

Die zuständige Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts widerrief das EP 3 043 349 mit Entscheidung vom 9. März 2022 wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit im vollen Umfang. Die Technische Beschwerdekammer 3.4.01 bestätigte mit Entscheidung vom 24. Oktober 2024 (AZ: T 1224/22) den vollständigen Widerruf des Patents. Die Beschwerdekammer sah dabei einen Einwand der unzulässigen Erweiterung als begründet an und widerrief daher das Patent bereits aus diesem Grund. 

Die zuständige Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts widerrief auch das EP 3 618 065 – ebenfalls wegen einer unzulässigen Erweiterung. Gegen die Entscheidung legte Pioneer keine Beschwerde ein, sodass diese rechtskräftig wurde. 

Schließlich griff TomTom auch die beiden Patente EP 2 923 876 und EP 2 793 193 proaktiv mit einem Einspruchsverfahren vor dem Europäischen Patentamt an. 

Pioneer schränkte den Gegenstand des EP 2 923 876 während des Einspruchsverfahrens durch Änderung des Hauptantrags ein. Diese Änderung führte zu einem Klarheitsmangel (Art. 84 EPÜ), der durch keinen Hilfsantrag geheilt wurde. Daher wurde das Patent widerrufen. Pioneer legte keine Beschwerde ein. 

Das EP 2 793 193 hatte die Einspruchsabteilung noch beschränkt aufrechterhalten, auf die Beschwerde hin wurde aber auch dieses vollumfänglich widerrufen. 

Im Ergebnis verlor Pioneer sechs von sieben Patenten vollständig. Das einzige Patent, das sich als rechtsbeständig erwies, ist nicht verletzt. 

Alle Entscheidungen sind rechtskräftig.

 

Vertreter von TomTom: BARDEHLE PAGENBERG (München)
Dr. Jan Bösing (Rechtsanwalt, Vertreter vor dem EPG, Partner)
Dr. Christian Haupt (Patentanwalt, European Patent Attorney, Vertreter vor dem EPG, Partner)
Dr. Johannes Möller (Patentanwalt, European Patent Attorney, Vertreter vor dem EPG, Partner)
Tobias Kaufmann (Patentanwalt, European Patent Attorney, Vertreter vor dem EPG, Partner)

Vertreter von Pioneer: 
DREISS Patentanwälte
(Stuttgart)
Dr. Andreas Pfund
Dr. Johannes Maurer 

HOYNG ROKH MONEGIER (Düsseldorf)
Dr. Martin Köhler
Dr. Tobias Hahn
Carina Höfer

Nur betreffend EP 2 923 876: Viering, Jentschura & Partner (Dresden): Kornelia Ihle. 
Nur betreffend EP 2 793 193: Gill Jennings & Every LLP (London): John Henry Severs. 



X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes
Dr. Deichfuß (Vorsitz)
Dr. Rensen
Hoffmann
Dr. Crummenerl
Dr. Kober-Dehm

2. Senat des Bundespatentgerichts (betreffend EP’877 – 2 Ni 47/20 (EP))
Hartlieb (Vorsitz)
Dr. Friedrich
Dr. Zebisch
Dr. Himmelmann
Dr. Kapels

4. Senat des Bundespatentgerichts (betreffend EP’941 und EP’942 – 
AZ: 4 Ni 3/21 (EP) und 4 Ni 4/21 (EP))

Grote-Bittner (Vorsitz)
Arnoldi
Matter
Dr. Söchtig
Dr. Haupt

Beschwerdekammer 3.4.01 (betreffend EP’349 – T 1224/22) 
P. Scriven
T. Petelski
C. Almberg

Datum


Autor

Jan Bösing
Rechtsanwalt, Vertreter vor dem EPG, Partner

Jan Bösing

Christian Haupt
Patentanwalt, European Patent Attorney, Vertreter vor dem EPG, Partner*

Christian Haupt

Johannes Möller
Patentanwalt, European Patent Attorney, Vertreter vor dem EPG, Partner*

Johannes Möller

Tobias Kaufmann
Patentanwalt, European Patent Attorney, Vertreter vor dem EPG, Partner

Tobias Kaufmann