Während des Übergangszeitraums haben Inhaber/-innen europäischer Patente die Wahl zwischen der Patentdurchsetzung vor dem Einheitlichen Patentgericht (EPG) oder vor den nationalen Gerichten. Für neue Patentanmeldungen können Patentinhaber entscheiden, ob sie die einheitliche Wirkung beantragen, was die Zuständigkeit des EPG begründet. Das EPG bietet zwar zahlreiche Vorteile, doch für viele Patentinhaber wird diese Entscheidung von finanziellen Erwägungen abhängen. Dessen waren sich die Schöpfer des EPG bewusst. Deshalb setzten sie recht niedrige Gebühren und eher hohe Kostenerstattungen fest. Beide Aspekte machen das EPG zu einem sehr attraktiven Gericht für Patentverletzungsklagen.
EPG: Gerichtsgebühren und Kostenerstattung
I. Gerichtsgebühren
Die Gerichtsgebühren für alle Verfahren im Zusammenhang mit Verletzungen bestehen beim EPG aus einer Festgebühr und einer streitwertabhängigen Gebühr.
Die folgende Gerichtsgebührentabelle führt die Festgebühren auf, die bei diesen Verfahrenshandlungen zugleich die Mindestgebühren darstellen:





Diese Beträge sind im Vergleich zu Klagen vor den nationalen Gerichten verhältnismäßig niedrig, wodurch Klagen vor dem EPG für Patentinhaber sehr attraktiv werden.
Interessant ist, dass Kostenentscheidungen nicht automatisch anfechtbar sind. Die Anfechtung setzt einen Antrag auf Zulassung der Berufung voraus, für welche bereits eine Gebühr von EUR 1.500 fällig wird. Wird die Berufung zugelassen, wird eine weitere Gebühr von EUR 1.500 für die Entscheidung über die Berufung fällig. Dies soll wohl verhindern, dass die Parteien Kostenentscheidungen wegen geringer Beträge anfechten. Andererseits erscheint diese recht hohe Gerichtsgebühr im Lichte der hohen möglichen Erstattung, die geltend gemacht werden kann, wiederum angemessen.
Für kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) mit unter 50 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz von unter 10 Millionen Euro sind die Gerichtskosten noch geringer. Sie belaufen sich auf 60 % der in den obenstehenden Tabellen aufgelisteten Beträgen.
Bei einer Klagerücknahme oder Einigung verringern sich die Gerichtsgebühren folgendermaßen in Abhängigkeit vom Zeitpunkt des Abschlusses des Verfahrens:
- Bis zum Abschluss des schriftlichen Verfahrens – 60 % Nachlass
- Bis zum Abschluss des Zwischenverfahrens – 40 % Nachlass
- Bis zum Abschuss des mündlichen Verfahrens – 20 % Nachlass
II. Erstattungsfähige Kosten
Wie in den meisten nationalen Systemen Europas hat die obsiegende Partei auch beim EPG Ansprüche auf Kostenerstattung (Art. 69 EPGÜ). Die unterlegene Partei hat grundsätzlich die angemessenen und verhältnismäßigen Rechtskosten und Auslagen der obsiegenden Partei zu tragen. Anders als im deutschen Gerichtssystem kann die obsiegende Partei jedoch nicht nur die Erstattung ihrer gesetzlichen Gebühren, sondern ihrer tatsächlichen Kosten verlangen. Die Ansprüche auf Kostenerstattung unterliegen lediglich folgenden Deckelungen:

Szenario 1
- Eine Verletzungsklage mit einem Streitwert von EUR 1 Million
- Klage auf Nichtigerklärung mit einem Streitwert von EUR 1,25 Millionen
Klagen im deutschen System
Im deutschen System würde über die Verletzungs- und die Nichtigkeitsklage getrennt voneinander an unterschiedlichen Gerichten und mit separaten Streitwerten verhandelt. Die Gerichtskosten und erstattungsfähigen Kosten würden für jede Klage einzeln festgestellt, und zwar auf Grundlage des jeweiligen, in der folgenden Tabelle aufgeführten, Streitwertes:

Klagen vor dem EPG
Beim EPG würde die Klage auf Nichtigerklärung in Form einer Widerklage auf Nichtigerklärung erhoben. Der Streitwert der Widerklage würde vom Gericht festgesetzt und könnte sich auf bis zu 150 % des Streitwerts der Verletzungsklage belaufen. Für die erstattungsfähigen Kosten würden die Streitwerte der Verletzungsklage und der Widerklage auf Nichtigkeit addiert. Die folgende Tabelle führt die daraus resultierenden Gerichtsgebühren und erstattungsfähigen Kosten auf:



Der Vergleich zeigt, dass die Gerichtsgebühren bei Klagen vor dem EPG erheblich geringer sind als bei Klagen vor den deutschen Gerichten. Zugleich sind die möglichen erstattungsfähigen Kosten im Fall einer erfolgreichen Klage vor dem EPG erheblich höher als vor den deutschen Gerichten, was für Patentinhaber ein weiterer Anreiz ist, sich bei Klageerhebung für das EPG zu entscheiden.
IV. Streitwert
Die Unterschiede zwischen dem EPG und den nationalen Gerichten im Hinblick auf die Gerichtsgebühren könnte in gewissem Maße durch die streitwertabhängige Gebühr verringert werden. Vor dem EPG sollte der Streitwert das objektive Interesse der Klägerin widerspiegeln und bevorzugt auf Grundlage einer Lizenzanalogie, alternativ auf Grundlage des entgangenen Gewinns der Klägerin bzw. des Verletzergewinns, festgesetzt werden. Angesichts des größeren Geltungsraums der Klage vor dem EPG müssen diese Festsetzungsmethoden ein größeres Gebiet abdecken; daher ist zu erwarten, dass der Streitwert einer EPG-Klage höher ist als der Streitwert vergleichbarer Klagen in den nationalen Systemen, wo das wirtschaftliche Interesse der Klägerin auf das Gebiet der nationalen Klage begrenzt ist.
V. Zusammenfassung
Im Hinblick auf Gerichtsgebühren und Kostenerstattung haben die Schöpfer des EPG ein System geschaffen, das für Klägerinnen und Klägerin sehr attraktiv ist. Das ist einer der vielen Gründe dafür, warum das EPG, sobald es seine Tätigkeit aufnimmt, aller Voraussicht nach eines der bedeutendsten Gerichte für Patentstreitigkeiten wird.
Mehr Informationen zum Einheitlichen Patentgericht und Einheitspatent finden Sie auf unserer UPC-Special-Seite.