1.2 Veränderung des Erzeugnisses oder seiner Verpackung
Darüber hinaus kann ein Markeninhaber auch Parallelimporte aus EU-Staaten markenrechtlich untersagen, wenn sogenannte „berechtigte Gründe“ gegeben sind, was nach § 24 Abs. 2 MarkenG/Art. 13 Abs. 2 GMV ausdrücklich der Fall ist, wenn die Originalverpackung seiner Ware verändert wurde und ihm dies nicht vorher angezeigt wurde.
Auch wenn ihm die Veränderung der Verpackung vorher zur Kenntnis gebracht wurde, kann er in der Regel den weiteren Vertrieb seiner Ware durch Dritte in der Bundesrepublik Deutschland untersagen, wenn von seiner Ware oder ihrer Verpackung Kontrollnummern entfernt wurden. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Kontrollnummern über Ort und Zeitpunkt der Herstellung Auskunft geben oder es für den Verbraucher erkennbar ist, dass eine Kontrollnummer entfernt wurde. Umverpackungen und jede sonstige Veränderung der Verpackung muss der Hersteller nur dann dulden, wenn dies seine berechtigten Interessen nicht beeinträchtigt. Voraussetzung hierfür ist unter anderem die durch den Wiederverkäufer angebrachte Angabe auf der Verpackung, dass nicht die konkrete Gefahr einer Veränderung des Originalzustands der Ware begründet wird und, dass er die Umverpackung vorgenommen hat. Weiter muss er darauf achten, dass die veränderte Verpackung nicht schadhaft oder fehlerhaft ist (z.B. die Übersetzung eines Beipackzettels) und keinen unordentlichen Eindruck hervorruft.
Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, kann der Markeninhaber den Vertrieb untersagen. Hierzu existiert eine sehr differenzierte und gefestigte Rechtsprechung in Deutschland, die in der Regel eine verlässliche rechtliche Einschätzung erlaubt. Der EuGH hat hierzu kürzlich in einer viel beachteten Entscheidung darüber hinaus klargestellt, dass sogar die Entfernung einer Marke und Anbringung einer eigenen Marke an deren Stelle beim Import als eine die Marke verletzende Benutzung angesehen werden kann (s. EuGH Urteil vom 25. Juli 2018, C-129/17 – Mitsubishi Shoji Kaisha ./. Duma Forklifts).
1.3 Vertrieb von Original-Markenware außerhalb des selektiven Vertriebssystems („Außenseiter- oder Graumarktvertrieb“)
Zur Sicherstellung der Qualität des Vertriebs erlaubt das deutsche und europäische Recht unter bestimmen wettbewerbs- und kartellrechtlichen Voraussetzungen Vorgaben für die Vertriebspartner des Herstellers. Wird ein Erzeugnis, das über ein zulässiges selektives Vertriebssystem veräußert wird, unter Verstoß gegen Bestimmungen des selektiven Vertriebssystems an dritte, nicht autorisierte Händler veräußert, erlaubt das Markenrecht unter bestimmten Voraussetzungen dem Hersteller direkt den Durchgriff gegen diesen Außenseiter und die Untersagung des Vertriebs durch ihn.
So kann der Hersteller zum einen dann direkt gegen den Außenseiter vorgehen, wenn dieser Kontrollnummern entfernt oder unkenntlich gemacht hat, und zwar auch dann, wenn diese lediglich Angaben über den Vertriebsweg enthalten oder wenn die Entfernung oder Unkenntlichmachung für den Verbraucher nicht erkennbar ist. Die Einhaltung eines zulässigen Vertriebssystems kann daher über ein Kontrollnummernsystem, das über den Vertriebsweg der Ware innerhalb des selektiven Vertriebssystems Aufschluss gibt, wirksam gesichert werden.
Zum anderen kann der Hersteller dem Außenseiter, der Ware von einem autorisierten Händler des Vertriebssystems bezogen hat, den weiteren Vertrieb nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 23.4.2009 – C-59/08 – Copad/Dior) auch dann aufgrund seiner Marke untersagen, wenn durch den Vertrieb dieses Dritten, z.B. eines Discounters, der Prestigewert eines Markenprodukts beeinträchtigt wird. Auch in diesem Fall tritt die Erschöpfung der Markenrechte des Herstellers nicht ein, so dass er direkt gegenüber diesem Dritten ein Vertriebsverbot erwirken kann.
1.4 Einfuhr von Arzneimitteln aus den Beitrittsländern der EU-Erweiterung
Für die Untersagung des Parallelimports von Arzneimitteln besteht in der Europäischen Union ein besonderer Mechanismus. Nach diesem Mechanismus kann bei Arzneimitteln sogar der Parallelimport innerhalb der Europäischen Union untersagt werden. Der Inhaber eines Patents oder Ergänzenden Schutzzertifikats kann hiernach den Vertrieb des Arzneimittels in Ländern der Europäischen Union auch dann untersagen, wenn es mit seiner Zustimmung innerhalb der Europäischen Union, nämlich in den neuen Mitgliedstaaten, in Verkehr gebracht wurde. Bei diesen Ländern handelt es sich um die in den Jahren 2004, 2007 und 2013 der EU beigetretenen Staaten. Hintergrund dieser Regelung ist, dass in diesen Staaten im Allgemeinen kein dem westeuropäischen Standard entsprechender Patentschutz existierte. Paralleleinfuhren aus diesen Mitgliedstaaten in andere EU-Staaten, wo das Arzneimittel durch Patent oder ergänzende Schutzzertifikate geschützt sind, können mit dieser Regelung verhindert werden.
Wurde der Patentschutz oder ein Ergänzendes Schutzzertifikat für das Arzneimittel in einem Mitgliedstaat zu einer Zeit beantragt, als in einem der genannten neuen Mitgliedstaaten kein entsprechender Schutz erlangt werden konnte, kann der Inhaber die Einfuhr des Arzneimittels aus diesem Staat in ein anderes Mitgliedsland der Europäischen Union untersagen, solange dort seine Schutzrechte noch in Kraft sind. Die sonst beim Inverkehrbringen in der Europäischen Union in der Regel eintretende Erschöpfung von Immaterialgüterrechten tritt nach diesem besonderen Mechanismus ausnahmsweise nicht ein, wenn das Arzneimittel in den genannten Staaten in Verkehr gebracht worden war.
Diese Sonderregelung gilt nicht für die Beitrittsstaaten Malta und Zypern. Wurde ein Arzneimittel in diesen Staaten mit Zustimmung des Herstellers in Verkehr gebracht, sind dessen Schutzrechte grundsätzlich erschöpft, und er kann sich der Einfuhr in andere EU-Mitgliedstaaten nur nach den allgemeinen Grundsätzen (siehe insbesondere oben 1.2) widersetzen.
1.5 Folgen des BREXIT
Durch den BREXIT ist Großbritannien nicht mehr Mitglied der EU und auch nicht des EWR. Zum Ende der Übergangsfrist am 31.12.2020 gilt Großbritannien daher als Drittland und es gelten insoweit keine Sonderregelungen zwischen der EU bzw. dem EWR und Großbritannien. Das heißt: Ware, die mit Zustimmung des Markeninhabers in Großbritannien in Verkehr gebracht wurde, kann nicht auch im EWR frei in Verkehr gebracht werden. Anders ausgedrückt: Der Inhaber einer deutschen Marken oder einer Unionsmarke kann die Einfuhr von Ware aus Großbritannien verhindern - und umgekehrt.