In einer jüngeren Entscheidung des OLG Hamburg (Az. 5 U 83/23, GRUR-RR 2025, 70 – MONEYPENNY) beschäftigt sich dieses mit der Frage, ob die bekannte Figur der Assistentin von „007“ „charakterstark“ genug ist, um als fiktive Figur zeichenrechtlichen Schutz zu genießen. Zugleich ist das Urteil ein neuer Beitrag zur Frage der Existenz eines „potenziellen“ Wettbewerbsverhältnisses.
Die unlängst veröffentlichte Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg bietet neben interessanten juristischen Fragen auch eine lesenswerte inhaltliche Auseinandersetzung mit der fiktiven Figur der „Miss Moneypenny“. Die Lektüre lohnt daher nicht nur für IP-Aficionados, sondern auch Fans der „James Bond“-Filmreihe. Im Zentrum der Entscheidung stehen im Wesentlichen zwei Fragen: (1) besteht ein zeichenrechtlicher Sonderschutz für die Figur der „Miss Moneypenny“? (2) Besteht zwischen den Inhabern der Rechte an den Filmen, die unter dieser Bezeichnung weder Waren noch Dienstleistungen in Deutschland anbieten, und einem deutschen Unternehmen, das die Bezeichnung unautorisiert verwendet, überhaupt ein Wettbewerbsverhältnis?
1. Sachverhalt
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Eine deutsche Anbieterin von Sekretariats- und Assistenzdienstleistungen benutzt für ihre Geschäftstätigkeit die Bezeichnungen „Moneypenny“ und „My Moneypenny“. Die Klägerin, Inhaberin der Rechte an der seit 1962 laufenden James-Bond-Filmreihe, sieht darin ihre Rechte an dieser Bezeichnung verletzt und macht wettbewerbs- und zeichenrechtliche Ansprüche (basierend auf einem Werktitel und einer Verkehrsgeltungsmarke) geltend.
2. Entscheidung des OLG Hamburg
Das OLG Hamburg verneinte wettbewerbsrechtliche Ansprüche, weil es bereits an dem notwendigen Wettbewerbsverhältnis nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 4 UWG zwischen den Parteien fehlt. Die Klägerin hatte nicht dargelegt, dass sie in dem betroffenen geschäftlichen Bereich (nämlich der Sekretariats- und Assistenztätigkeiten in Deutschland) überhaupt tätig ist. Eine lediglich abstrakte, aber noch nicht hinreichend konkretisierte Möglichkeit des Tätigwerdens, z. B. im Bereich des Lizenzgeschäfts, hat dabei außer Acht zu bleiben: Ein nur „potenzielles“ Wettbewerbsverhältnis genügt nicht.
Zeichenrechtliche Ansprüche verneinte das OLG Hamburg ebenfalls. Weder besteht an der Figur der „Miss Moneypenny“ ein Werktitel nach §§ 15 Abs. 2, 3; 5 Abs. 3 MarkenG, noch sei diese Bezeichnung als Verkehrsgeltungsmarke gem. §§ 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 2, Abs. 5; 4 Nr. 2 MarkenG anzusehen.
Damit wies das OLG Hamburg, wie zuvor bereits das LG Hamburg, die Klage vollends ab.
3. Zur Frage des „potenziellen“ Wettbewerbsverhältnisses
Voraussetzung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche ist gem. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 4 UWG ein konkretes Wettbewerbsverhältnis. Dies ist gegeben, wenn Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen und daher das Wettbewerbsverhalten des einen den anderen beeinträchtigen, also am Absatz behindern oder stören kann. Dabei ist entscheidend, dass die entsprechende unternehmerische Tätigkeit (im Zeitpunkt der Verletzungshandlung) bereits aufgenommen und (zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung) noch nicht beendet wurde; der Mitbewerber also schon bzw. noch als Wettbewerber anzusehen ist. Ist dies hingegen noch nicht oder nicht mehr der Fall, besteht auch ein konkretes Wettbewerbsverhältnis noch nicht bzw. nicht mehr. Ein solches dann nur „potenzielles“ Wettbewerbsverhältnis genügt in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH nicht. Zwar sind im Interesse eines wirksamen, lauterkeitsrechtlichen Individualschutzes grundsätzlich keine hohen Anforderungen an die Wettbewerbereigenschaft zu stellen, zugleich soll aber eine uferlose Ausweitung lauterkeitsrechtlicher Anspruchsberechtigung vermieden werden.
An diesen Voraussetzungen scheitert das konkrete Wettbewerbsverhältnis der Klägerin.
Eine Beeinträchtigung ihrer tatsächlichen Geschäftstätigkeit, der Vermarktung bzw. Auswertung der James-Bond-Filme, ist durch die Geschäftstätigkeit der Beklagten im Bereich von Sekretariats- und Assistenztätigkeiten nicht festzustellen. Denkbar wäre es hingegen zwar ganz grundsätzlich, dass eine solche Beeinträchtigung für ein „Lizenzgeschäft“ der Klägerin besteht, beispielsweise wenn diese Lizenzen zur Benutzung der Bezeichnung „Moneypenny“ für Sekretariatsdienstleistungen ausgeben würde. Allerdings: Ein solches Lizenzgeschäft betreibt die Klägerin in Deutschland nicht, zumindest hat sie ein solches nicht nachgewiesen. Die lediglich abstrakte Möglichkeit eines solchen Lizenzgeschäfts wiederum stellt nur ein lediglich potenzielles und damit nicht ausreichendes Wettbewerbsverhältnis dar; irgendwie geartete Vorbereitungshandlungen hierzu sind nicht zu erkennen. Damit scheitern wettbewerbsrechtliche Ansprüche der Klägerin bereits an einem fehlenden Wettbewerbsverhältnis.
4. Zum zeichenrechtlichen Schutz der Figur „Miss Moneypenny“
Der Schutz von fiktiven Figuren z. B. aus Filmen oder Romanen ist urheberrechtlich bereits seit Langem anerkannt, wozu in der deutschen Rechtshistorie insbesondere auch Astrid Lindgrens Figur der „Pippi Langstrumpf“ beigetragen hat. Figuren sind im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG dann geschützt, wenn diese sich durch eine unverwechselbare Kombination äußerer Merkmale, Charaktereigenschaften, Fähigkeiten und typischer Verhaltensweisen auszeichnen und damit zu besonders ausgeprägten Persönlichkeiten geformt sind, als diese sie in dem Werk, dem sie entspringen, in einer bestimmten, charakteristischen Weise auftreten. Die Rechtsprechung verlangt insoweit, dass sich – sprachlich greifbar, aber gerade nicht wortwörtlich – ein „Bild“ dieser Figur entwickelt habe (BGH GRUR 2014, 258 – Pippi-Langstrumpf-Kostüm I).
a. Kein Schutz als Werktitel gem. § 5 Abs. 3 MarkenG
Diese Grundsätze überträgt das OLG Hamburg – ohne zu verkennen, dass die Werkbegriffe im Urheberrecht (§ 2 Abs. 2 UrhG) und im Markenrecht (§ 5 Abs. 3 MarkenG) nicht kongruent sind und sich auch die Schutzrichtungen unterscheiden (das Urheberrecht schützt die geistige Schöpfung als solche, während das Werktitelrecht nur die Bezeichnung des Werks schützt) – grundsätzlich auch auf den zeichenrechtlichen Werktitelschutz. Nach dem Verständnis des OLG Hamburg gelten diese urheberrechtlichen Erwägungen daher grundsätzlich auch für den Schutz als Werktitel.
Allerdings stellt ein Werktitel zusätzliche Anforderungen. Kennzeichenrechtlich schutzfähig sind grundsätzlich alle immateriellen Arbeitsergebnisse, die nach der Verkehrsanschauung bezeichnungsfähig sind, also sich eignen, diese Arbeitsleistung zu individualisieren und von anderen Leistungen geistiger Art zu unterscheiden. Insoweit besteht eine inhaltliche Anlehnung der grundsätzlich titelschutzfähigen Werkkategorien gem. § 5 Abs. 3 MarkenG an den urheberrechtlichen Werkkatalog des § 2 Abs. 1 UrhG. Trotz der unterschiedlichen Werkbegriffe kommen daher urheberrechtlich schutzfähige Figuren grundsätzlich auch als Werktitel in Betracht – sofern sie eben bezeichnungsfähig sind. Kennzeichenrechtlich ist daher zusätzlich zu den urheberrechtlichen Voraussetzungen (dem „Bild“, das diese Figur verkörpert) vonnöten, dass die Figur, um in den Genuss eines selbstständigen Titelschutzes zu kommen, selbstständig wahrnehmbar („bezeichnungsfähig“) ist, also durch eine Loslösung von dem Werk ein „Eigenleben“ entwickeln kann. Darüber hinaus genügt nicht, wie grundsätzlich im Urheberrecht, lediglich die Schaffung des Werks, sondern es bedarf auch einer gewissen Bekanntheit dieser Bezeichnung.
Für die Figur der „Miss Moneypenny“ geht das OLG Hamburg von einer Bekanntheit durchaus aus. Allerdings erfüllt sie die Anforderungen an einen Werktitel bereits deshalb nicht, weil sie noch nicht einmal den urheberrechtlich geprägten Voraussetzungen einer schutzfähigen Figur genügt: Die Filmreihe zeichnet nämlich, so das OLG Hamburg, kein eindeutiges „Bild“ der „Miss Moneypenny“, und zwar weder in ihrer optischen Ausgestaltung noch in ihren Charaktereigenschaften – vielmehr bleibt beides diffus. Es lässt sich bereits keine bestimmte, einheitliche Optik feststellen: Die Figur tritt immer in unterschiedlicher Optik auf – nicht zuletzt geschuldet durch die Verkörperung und Interpretation unterschiedlicher Schauspielerinnen. Auch ein eindeutiges Charakterbild ist nicht gegeben: Die Charaktereigenschaften, Fähigkeiten und typischen Verhaltensweisen bleiben vage. Sofern sich die Figur durch Professionalität als Assistentin und eine loyale, freundschaftliche und verständnisvolle Beziehung zu James Bond auszeichnet, genügt das gerade nicht. Im Gegenteil zeigt das vielmehr auf, dass die Figur nur im Zusammenspiel mit „James Bond“, aber eben nicht selbstständig – also von dem Werk losgelöst – ein „Bild“ ergebe. Gleichbleibend sind nicht Optik und prägnante Charaktereigenschaften, sondern lediglich der Name „Moneypenny“. Dies genügt nicht für einen Werktitelschutz.
b. Kein Schutz als Verkehrsgeltungsmarke § 4 Abs. 2 MarkenG
Zudem besteht keine Verkehrsgeltungsmarke i.S.d. § 4 Abs. 2 MarkenG an dem Zeichen „Miss Moneypenny“ bzw. „Moneypenny“.
Nach § 4 Abs. 2 MarkenG entsteht ein Markenschutz für ein Zeichen durch die Benutzung dieses Zeichens im geschäftlichen Verkehr, sofern das Zeichen innerhalb der beteiligten Verkehrskreise Verkehrsgeltung erworben hat. Voraussetzung ist dabei aber zunächst zwingend, dass das Zeichen Verkehrsgeltung als Marke erworben hat. Dies setzt eine markenmäßige Benutzung voraus: Denn nur dann, wenn ein Zeichen im Verkehr als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der so gekennzeichneten Waren bzw. Dienstleistungen verstanden wird, kann es seine Herkunftsfunktion erfüllen, nämlich der Unterscheidung von gleichartigen Waren oder Dienstleistungen unterschiedlicher betrieblicher Herkunft zu dienen. Dieser Umstand wurde bereits einer Marke ebenfalls im Kontext mit der „James Bond“-Filmreihe zum Verhängnis: Nach den Feststellungen des Europäischen Gerichts (EuG GRUR Int 2010, 50 – Dr. No) diente das Zeichen „Dr. No“ nicht als Hinweis auf eine betriebliche Herkunft von Waren und Dienstleistungen, sondern fungierte – als Filmtitel – nur als Verweis auf seinen künstlerischen Ursprung.
Eine herkunftshinweisende Verwendung konnte – mit ähnlicher Begründung – auch das OLG Hamburg nicht für das Zeichen „Moneypenny“ erkennen: „Moneypenny“, verwendet durch die Klägerin, bezeichnet eben nicht herkunftshinweisend konkrete Waren oder Dienstleistungen, sondern lediglich die Filmfigur. Es fehlt daher bereits an einer markenmäßigen Benutzung. „Moneypenny“ teilt insoweit ironischerweise das unrühmliche Markenschicksal von „Dr. No“: Beide weisen auf den künstlerischen Ursprung der so bezeichneten Figur hin, nicht aber auf die betriebliche Herkunft konkreter Waren bzw. Dienstleistungen. Das genügt nicht.
5. Kommentar und Ausblick
Das OLG Hamburg hat gegen sein Berufungsurteil die Revision zugelassen – allerdings beschränkt auf die rechtlichen Fragen zum Werktitelschutz. Das erstaunt.
Denn die Entscheidung zum Werktitelrecht liegt ganz auf der Linie des erkennenden Senats in einer früheren Entscheidung. Darin hatte das OLG Hamburg einen Werktitelschutz der Comic-Figur „Obelix“ anerkannt, unter Verweis explizit auf dessen Originalität, Einprägsamkeit und Bekanntheit (OLG Hamburg, GRUR-RR 2006, 408 – OBELIX). Eine gegen dieses Urteil eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat der BGH (GRUR-RR 2009, 408) zurückgewiesen. Tiefgreifende Bedenken des BGH gegen die Herangehensweise des OLG Hamburg scheinen also – zumindest damals – auch auf höchstrichterlicher Ebene nicht bestanden zu haben.
Gleichzeitig erscheint die grundsätzliche Ablehnung eines nur potenziellen Wettbewerbsverhältnisses unter Berücksichtigung der Rechtsprechung – gerade auch des BGH – nicht ganz so eindeutig, wie es das Urteil (einschließlich der Nichtzulassung der Revision insoweit) suggeriert. Das „potenzielle Wettbewerbsverhältnis“ hat in der jüngeren Rechtsprechung und Literatur zuletzt wieder einige Aufmerksamkeit erfahren. Neben dem OLG Hamburg hat – keinen Monat später – auch das OLG Frankfurt am Main in einer Entscheidung ein „potenzielles“ Wettbewerbsverhältnis als nicht ausreichend erachtet (OLG Frankfurt am Main in GRUR-RR 2025, 135). Diese restriktive Sicht der Instanzgerichte wird, von prominenten Stimmen, heftig kritisiert (s. hierzu Köhler, WRP 2025, 401).
Das OLG Hamburg und OLG Frankfurt stützen sich zur Begründung der Ablehnung eines nur „potenziellen“ Wettbewerbsverhältnisses im Wesentlichen auf die BGH-Entscheidung „Pflichten des Batterieherstellers“ (BGH GRUR 2020, 303). Dort geht es aber nur um den Fall, dass ein (ehemaliger) Wettbewerber seine Geschäftstätigkeit aufgegeben hatte. Zeitpunkt der Bezugnahme war also jeweils die Beendigung der Geschäftstätigkeit, bei der dem BGH die lediglich theoretische Möglichkeit eines Wiedereinstiegs als „potenzieller“ Wettbewerber nicht genügt. Allerdings geht es im hier besprochenen Fall des OLG Hamburg um den Zeitpunkt vorBeginn der Tätigkeit; Zeitpunkt der Bezugnahme ist hier jeweils das „Sich-Anschicken“ einer Geschäftstätigkeit. Diese Zeitpunkte (Beendigung und Beginn einer Geschäftstätigkeit) sind also zu unterscheiden. Das bemerkt nicht nur Köhler, sondern auch das OLG Hamburg selbst, wenn es davon spricht, “ob der Betreffende schon oder noch als Wettbewerber“ anzusehen ist (Rn. 58).
Für den Zeitpunkt der Beendigung besteht insoweit eine klare Rechtsprechung des BGH (Pflichten des Batterieherstellers u. a.): Er akzeptiert hier ein potenzielles Wettbewerbsverhältnis nicht. Für den Zeitpunkt des Beginns hingegen gilt das aber nicht so zwingend: Zwar lehnt der BGH ein „potenzielles“ Wettbewerbsverhältnis nach Beendigung der Tätigkeit klar ab – er lässt diese Frage aber für den Zeitpunkt des Beginns einer solchen Tätigkeit explizit offen (BGH GRUR 2016, 1187 – Stirnlampen, Rn. 17).
Bei genauer Betrachtung sieht auch das OLG Hamburg den Ausschluss eines „potenziellen“ Wettbewerbsverhältnisses für den Zeitpunkt vor dem Beginn einer Geschäftstätigkeit dann auch nicht ganz so strikt: „Die Vorbereitung des Marktzutritts muss so weit fortgeschritten sein, dass die bevorstehende Aufnahme der Geschäftstätigkeit des betroffenen Unternehmers auf dem Markt bereits konkret in Erscheinung tritt und deshalb bereits wettbewerbsrechtlich geschützte Interessen berührt sein können“. Vorbereitungshandlungen – ohne dass die Geschäftstätigkeit bereits aufgenommen wurde – scheinen also doch unter gewissen Voraussetzungen („die bevorstehende Aufnahme muss konkret in Erscheinung treten“) zu genügen. Ein nur „potenzieller“ aber immerhin bereits weit konkretisierter Wettbewerb soll also doch genügen. Das ist mit einer apodiktischen Ablehnung eines „potenziellen“ Wettbewerbs nicht zu vereinen.
Die Frage nach Existenz und Anforderung an ein „potenzielles“ Wettbewerbsverhältnis scheint daher aktuell ungeklärt. Grund genug also – eigentlich – für den BGH, auch hier Klarheit zu schaffen.
