EuGH-Entscheidung zum Sortenschutz für „SUMCOL 01“, auch „Verpiss Dich“ genannt

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in Luxemburg hat am 15. April 2010 zum ersten Mal über die Schutzfähigkeit einer Pflanzenzüchtung befunden (Urteil vom 15.4.2010, Rs. C-38/09 P, Schräder/Gemeinschaftliches Sortenamt). In dem Urteil wurde die Ausgangsentscheidung, die einenAntrag auf Sortenschutz zurückgewiesen hatte, in letzter Instanz bestätigt.

Neu gezüchtete Pflanzensorten, die von bekannten Sorten unterscheidbar, homogen und beständig sind, können für 25 Jahre Sortenschutz erlangen. Sortenschutz hat grosse wirtschaftliche Bedeutung bei Nutzpflanzen (Kartoffeln, Getreide), aber auch Zierpflanzen für den Garten, wie Astern,
Chrysanthemen, Rosen, Margueriten usw. Sortenschutz wird in Europa entweder nach nicht harmonisiertem nationalen Sortenschutzrecht oder für alle EU-Staaten gemeinsam von dem „Gemeinschaftlichen Sortenamt“ (GSA) in Angers an der Loire in Frankreich auf der Grundlage der Verordnung über den gemeinschaftlichen Sortenschutz gewährt.

Der Fall, der jetzt vom EuGH endgültig entschieden wurde, geht auf einen bereits 2001 gestellten Antrag auf Sortenschutz für die zur Art Plectranthus ornatus gehörende Pflanzensorte SUMCOL 01 zurück. Es handelt sich um Gartenpflanzen, die offenbar die Wirkung haben, Tiere abzuschrecken,
daher auch „Katzenschreck“ oder, so die vom Züchter gewählte Bezeichnung, „Verpiss Dich“.

Nach den Prüfungsergebnissen des GSA, die in Zusammenarbeit mit dem Bundessortenamt in Hannover getroffen wurden, handelte es sich um eine von bekannten Sorten nicht unterscheidbare Sorte. Als Vergleichssorte wurde eine in Südafrika verbreitete Sorte herangezogen. Die gegen die ablehnende Entscheidung vom Züchter (Ralf Schräder) eingelegten Rechtsmittel zur Beschwerdekammer des Sortenamts und zum Gericht der EU (früher Gericht erster Instanz) blieben erfolglos. Nunmehr hat der EuGH das Rechtsmittel von Herrn Schräder gegen das Urteil des Gerichts vom 19. November 2008 als unbegründet abgewiesen.

Neben einer Reihe von Verfahrensfragen, die alle ebenfalls zugunsten des GSA entschieden wurden, ging es vor allem um die Frage, ob die Behörde Rechtsfehler bei der Feststellung der mangelnden Unterscheidbarkeit begangen hatte. Dies wurde vom EuGH verneint. Dabei sind weder das Gericht noch der Gerichtshof in eine neue Sachprüfung eingetreten. Vielmehr beschränkte sich das Gericht darauf festzustellen, ob die Feststellungen des Amtes mit Verfahrens- und Beurteilungsfehlernbehaftet waren. Dies hat der Gerichtshof wie folgt bestätigt:

77 Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht, das nur innerhalb der in Art. 73 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2100/94 gesetzten Grenzen zu entscheiden hat, nicht zu einer umfassenden Nachprüfung verpflichtet war, um festzustellen, ob die Sorte SUMCOL 01 im Sinne des Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2100/94 unterscheidbar war oder nicht; es konnte sich vielmehr in Anbetracht der wissenschaftlichen und technischen Komplexität dieser Voraussetzung, deren Erfüllung, wie sich aus Art. 55 der Verordnung Nr. 2100/94 ergibt, im Übrigen anhand einer technischen Prüfung zu kontrollieren ist, mit der das CPVO eine der zuständigen nationalen Einrichtungen beauftragen kann, auf die Kontrolle offensichtlicher Beurteilungsfehler beschränken.

Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Entscheidungen des GSA zu den Kernbegriffen der Sortenschutzverordnung, wie namentlich die Neuheit, die Unterscheidbarkeit, die Homogenität und die Beständigkeit, soweit sie technischen Sachverstand erfordern, von den Gemeinschaftsgerichten
inhaltlich nur auf Plausibilität und Fehlen von entscheidungserheblichen Verfahrensfehlern geprüft werden.

Rechtsanwalt Dr. Alexander v. Mühlendahl, J.D., LL.M., hat das Gemeinschaftliche Sortenamt vor dem EuGH vertreten.

© 2010, BARDEHLE PAGENBERG

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