Bundestags-Vorlage: Keine Patentierbarkeit von Nutztieren und Nutzpflanzen

Am 17. Januar 2012 haben die Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/die Grünen eine gemeinsame Vorlage (Drucksache 17/8344)  in den Bundestag eingebracht. Diese sieht vor, konventionell gezüchtete landwirtschaftliche Nutztiere und Nutzpflanzen von der Patentierbarkeit auszuschließen.

Die weltweite Bedeutung der grünen Biotechnologie

Die Bedeutung der globalen grünen Biotechnologie ist sehr groß. So werden 148 Mio. ha weltweit für den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen verwendet. Während in den USA und Asien große Mengen dieser Pflanzen hergestellt und verkauft werden, nimmt ihre Akzeptanz  in einigen Ländern Europas, insbesondere in Deutschland weiter ab. Ein Ausweg aus dieser Problematik ist das Forschen nach verbesserten nicht-gentechnisch veränderten Pflanzen. Neben der konventionellen Züchtung wird hier auf die effizientere Marker-unterstützte Züchtung gesetzt. Wie bei konventionellen Züchtungsverfahren wird nach Pflanzen mit erwünschten Eigenschaften durch Kreuzung und Selektion gesucht. Durch molekulare Marker werden die durch Kreuzung erzeugten Pflanzen schneller und genauer selektioniert. Die Marker befinden sich nach der Selektion nicht in den Pflanzen, so dass die erzeugten  Pflanzen nicht gentechnisch verändert sind.   

Die aktuelle Patentpraxis

Die EU-Biotechnologie-Richtlinie 98/44 hat das Ziel, den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen zu stärken. Sie wurde 2005 in deutsches Recht umgesetzt. Die Richtlinie wurde ferner von der Europäischen Patentorganisation in das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ) implementiert. Nach der Richtlinie und dem angepassten deutschen und europäischen Patentrecht können Erfindungen auf Tiere und Pflanzen patentiert werden, sofern die technische Lehre der Erfindung nicht auf eine bestimmte Tierrasse oder Pflanzensorte beschränkt ist, die von der Patentierbarkeit explizit ausgenommen sind. Die Begründung für den Ausschluss von Pflanzensorten besteht darin, dass durch den Sortenschutz ein komplementäres Schutzrecht verfügbar ist und ein Doppelschutz nicht erforderlich ist. Für Tierrassen gibt es kein solches komplementäres Schutzrecht.

Das Deutsche und das Europäische Patentamt erteilen auf der Grundlage des geltenden Rechts Patente auf Erfindungen, die Pflanzen und Tiere betreffen.

Die Vorlage

Ausgangspunkt der Vorlage ist die Bestimmung Art. 53b), 2. Alt. EPÜ, nach der im Wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tiere ausgeschlossen sind. In ihren Entscheidungen vom 9. Dezember 2010 hat die Große Beschwerdekammer des EPA im „Tomaten“ bzw. „Brokkoli“-Fall entschieden, wann ein Verfahren ein im wesentlichen biologisches Verfahren darstellt, das von der Patentierbarkeit ausgeschlossen ist.

Die Autoren der Vorlage argumentieren nun, dass Art. 53b) EPÜ, der nur Verfahren zur Züchtung von Pflanzen und Tieren von der Patentierbarkeit ausschließt, konsequenterweise auch Pflanzen und Tiere ausnehmen sollte, die durch solche Verfahren erhalten wurden.

Das geltende Patentgesetz schützt die Pflanzenzüchter

Das deutsche und europäische Patentamt erteilen Patente auf Erfindungen, die neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind.

Erfindungen, die Tiere bzw. Pflanzen betreffen, werden daher erteilt, wenn diese Tiere bzw. Pflanzen nicht „naheliegend“ sind, insbesondere weil sie gegenüber vorbekannten Pflanzen und Tieren unerwartete vorteilhafte Eigenschaften aufweisen. Der Erfinder leistet daher einen Beitrag, den andere nutzen können (aber nicht nutzen müssen) und erhält dafür ein Patent, das ihm zeitlich begrenzte Ausschließlichkeitsrechte gewährt.

Sofern es sich um gentechnisch veränderte Tiere oder Pflanzen handelt, wird diese Praxis von den Gegnern auch nicht in Zweifel gezogen, sondern die Vorlage betrifft allein den Fall, dass die landwirtschaftlichen Nutztiere oder Nutzpflanzen über konventionelle Züchtungsverfahren erhalten wurden. Auch wenn ein bekanntes Verfahren angewendet wird, schließt dies nicht aus, dass patentfähige Produkte erhalten werden, die neue vorteilhafte Eigenschaften aufweisen.

Beispielsweise war lange bekannt, dass durch Bestrahlung die Eigenschaften von Bakterien verändert werden können. Wenn jetzt bekannte Bakterien bestrahlt werden und hierdurch ein neues Bakterium entsteht, das sich von den bekannten in nicht naheliegender Weise unterscheidet, weil es besondere vorteilhafte Eigenschaften aufweist, so ist das Bakterium patentfähig. Es ist nicht zu erkennen, warum dem Erfinder, der konventionelle Züchtungsverfahren anwendet, die „Belohnung“, d.h. die Patenterteilung versagt werden sollte. Dies gilt insbesondere wenn die Züchtung zu einem Nutztier führt, das nicht wie Nutzpflanzen durch ein anderes Schutzrecht wie den Sortenschutz geschützt werden kann.

Die Gegner einer Patentierung von Pflanzen und Tieren argumentieren, dass der Ausschluss von Verfahren zur Züchtung von Tieren und Pflanzen in das Patentgesetz aufgenommen wurde, um konventionelle Tier- und Pflanzenzüchter nicht zu behindern. Dieser Zweck wird, wie nachfolgend ausgeführt, auch dann erreicht, wenn die bisherige Praxis der Patentierung beibehalten wird.

Das deutsche Patentgesetz sieht vor, dass die Nutzung einer patentierten Pflanze zum Zweck der Züchtung einer neuen Pflanzensorte keine Patentverletzung darstellt (§ 11 Nr. 2a PatG). Das Patentgesetz trägt daher den Bedenken der Pflanzenzüchter bereits ausreichend Rechnung. 

Anders ist die Situation bei Tierzüchtern. Die Verwendung eines patentgeschützten Nutztiers zu Zwecken der Züchtung stellt eine Patentverletzung dar. Würde man die Patentierbarkeit von Nutztieren ausschließen, wäre nicht nur die Verwendung zu Zuchtzwecken frei, sondern auch jede weitere Verwendung zu gewerblichen Zwecken, so dass derjenige, der ein neues Tier gezüchtet hat, ohne Schutzrechte dastehen würde. Jeder Anreiz für eine gewerbliche Züchtung von neuen Nutztieren würde dadurch entfallen.

Das deutsche Patentgesetz schränkt den Patenschutz auf Nutztiere jedoch durch das sogenannte Landwirte-Privileg ein. Dem Patentinhaber steht das Recht auf die 1. Generation von Nutztieren und Nutzpflanzen zu. Sofern die Vermehrung dieser 1. Generation nicht zu gewerblichen Zwecken erfolgt, sondern nur zur Führung der Landwirtschaft dient, fallen nachfolgende Generationen nicht unter den Patentschutz.   

Das bestehende Patentgesetz berücksichtigt daher die Interessen der Pflanzenzüchter und der Landwirte und schränkt den Patentschutz ein. Ein weitergehender Ausschluss von Nutztieren und Nutzpflanzen, die durch konventionelle Züchtungsverfahren erhalten werden, würde den wirtschaftlichen Anreiz zur Forschung nach neuen Pflanzen und Tieren beseitigen.

Es sei darauf hingewiesen, dass in dem „Tomaten“-Fall (EP1211926B1) die Verfahrensansprüche gestrichen wurden, jedoch Ansprüche auf die durch das konventionelle Züchtungsverfahren erhaltenen Tomaten beibehalten wurden. Die Einsprechende hat eine nochmalige Befassung der Großen Beschwerdekammer des EPA mit dieser Sache gefordert. Es bleibt also spannend.  

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