Interview mit Bettzig Media GmbH für einen Artikel als Beilage zum Handelsblatt (Publikation „Herz und Zukunft der deutschen Wirtschaft: Erfindungen & Innovationen")
Der neue Unified Patent Court (UPC) erweist sich als echter Gamechanger, der auch für mittelständische Unternehmen relevant ist.
Die Zahl der Patente in Deutschland ist zwar zuletzt zurückgegangen, aber weltweit steigt sie. Macht sich das in Ihrer Kanzlei bemerkbar?
Tilman Müller: Über den Lauf der Jahre ist die Zahl der Fälle in unserer Kanzlei tatsächlich kontinuierlich gewachsen. Wir haben viele internationale Mandanten aus Asien, den USA und Europa, daher macht sich der Rückgang der Anmeldezahlen in Deutschland bei uns nicht unmittelbar bemerkbar. Wir bearbeiten ja nicht nur Patentanmeldungen, sondern in großem Umfang auch streitige Fälle sowie nichttechnische Schutzrechte, also Marken, Designs sowie Urheber- und Wettbewerbsrecht.
BARDEHLE PAGENBERG existiert seit 1977. Sind die einzelnen Fällen seit der Gründung komplizierter geworden?
Müller: Vor allem die Streitfälle sind etwa in den vergangenen 15 Jahren deutlich komplizierter und umfangreicher geworden. Denn die rechtlichen Fragestellungen werden immer komplexer, das Kartellrecht spielt eine große Rolle. Und der Unified Patent Court (UPC), das neue, zum 1. Juni dieses Jahres eingeführte Einheitliche Patentgericht – ein europäisches Gericht für Patentstreitigkeiten –, stellt einen echten Gamechanger dar. Anders als von vielen gedacht, ist durchaus auch der Mittelstand in den seitdem anhängig gemachten Verfahren vertreten.
Philipe Kutschke: Die Streitverfahren werden auch immer internationaler und das löst einen gewissen Wettbewerb unter den nationalen Gerichten um diese Fälle aus. Es gibt Mandanten, die sich genau anschauen, wie die Erfolgsaussichten in den einzelnen Ländern stehen, wie lange ein Verfahren dort dauert und ob Rechtsbehelfe mit Durchschlagskraft erhältlich sind. Deutschlands Gerichte schneiden an dieser Stelle ziemlich gut ab, sie gelten als schnell, wirkungsvoll und werden als Gerichte höchster Qualität wahrgenommen. Nur mit dem Stand der Digitalisierung hapert es hierzulande noch etwas.
Eine Kanzlei wie BARDEHLE PAGENBERG braucht nicht ausschließlich juristische Kompetenzen, sondern auch fachliche. Wie sichern Sie diese?
Müller: Als eine gemischte Kanzlei mit Patent- und Rechtsanwälten arbeiten wir in Teams – das ist ein großer Vorteil. Unsere Patentanwälte haben ein naturwissenschaftliches Studium absolviert und verfügen über praktische Erfahrungen in ihren Bereichen der Technik. Sie sind äußerst streiterfahren und decken als Expertinnen und Experten vor allem die technischen Fragen unserer Arbeit ab, sodass sich unsere Patent- und Rechtsanwälte gegenseitig ergänzen.
Welche Branchen und Produkte deckt die Kanzlei ab?
Um Patentverfahren erfolgreich durchzuziehen, braucht es sowohl erfahrene Rechts- als auch Patentanwälte, erklären Tilman Müller und Philipe Kutschke von der Kanzlei BARDEHLE PAGENBERG. Kutschke: Wir sind in allen Branchen tätig – von Elektronik, Telekommunikation und Datencodierung über Automotive bis hin zu Chemie, der Pharmaindustrie und Biotech. Wir können dieses breite Spektrum abdecken, weil wir mit unseren Patentanwältinnen und Patentanwälten so breit aufgestellt sind und damit über die entsprechenden Fach-und Branchenkenntnisse verfügen.
Einen wachsenden Markt stellt die Biotechnologie dar. Gibt es hier besondere Herausforderungen für die Durchsetzung oder Verteidigung von Patenten?
Müller: Es handelt sich häufig um umfangreiche und wirtschaftlich sehr wichtige Verfahren. Das gilt insbesondere, wenn es um neue Antikörper, Impfstoffe oder Diagnostika geht. Aber ich würde nicht sagen, dass sie grundsätzlich komplizierter sind als andere Fälle.
Stellen Sie eigentlich ein ausreichendes Bewusstsein bei den Unternehmen für die Bedeutung von Patenten fest?
Müller: Da gibt es sehr große Unterschiede. Es gibt Unternehmen mit sehr ausgereifter und gut durchdachter IP-Strategie. Es gibt andererseits auch Unternehmen, die ohne Ende Patente anmelden, aber sie nutzen diese Patente anschließend nicht wirklich. Das kostet und hat nur begrenzten Wert. Wir raten daher nicht bei jeder Innovation zur Patentanmeldung. Es kann in manchen Fällen besser sein, eine Entwicklung geheim zu halten. Kutschke: In den vergangenen Jahren stellen Unternehmen immer mehr fest, dass es auch wichtig sein kann, die Produktgestaltung über Designs zu schützen. Im Medizintechniksektor sind die Kopien teilweise so schlecht, dass sie Patente zwar nicht verletzen, aber genauso aussehen wie das Original. Dann wird die Sache gesundheitsrelevant und man sollte auch deshalb dagegen vorgehen.
Und bei Streitfällen?
Müller: Der Mittelstand beschränkt sich leider häufig darauf, gegen Verletzungen der direkten Konkurrenz vorzugehen, verfolgt aber oft keine aktive Patentstrategie. Damit verpassen die Unternehmen Chancen bei der Verwertung ihrer Schutzrechte. Tendenziell sind große Unternehmen insoweit versierter, aber auch hier wird oft Geld liegen gelassen, weil es an einer maßgeschneiderten IP- und Verwertungsstrategie fehlt.
Woher kommen Schutzrechtsverletzungen vorwiegend?
Kutschke: Sie kommen bei Designs häufig aus dem asiatischen Raum. Müller: Patente werden auf der ganzen Welt verletzt. Patentverletzer sind daher überall anzutreffen.