Unionsmarken (einschließlich Marken gemäß Madrider Protokoll mit Wirkung in der Europäischen Union) sind „einheitlich“ und haben „einheitliche Wirkung für die gesamte Union“ (Artikel 1 Absatz 2 Unionsmarkenverordnung) und gelten somit im gesamten Gebiet der Europäischen Union. Dementsprechend ist es gängige Rechtsprechung, dass ein Unterlassungsanspruch wegen der Verletzung einer Unionsmarke grundsätzlich im gesamten Gebiet der EU gilt, da eine Verletzung an einem beliebigen Ort in der Europäischen Union prinzipiell das Risiko einer erneuten Verletzung im gesamten Gebiet der EU begründet. Deutsche Marken und internationale Eintragungen (gemäß dem Madrider Abkommen) mit Wirkung in Deutschland gelten für Deutschland und Verletzungsklagen können angestrengt werden, um mit Wirkung für Deutschland Unterlassung und anderweitige Abhilfe zu erlangen.
8.1 Zuständige Gerichte und Gerichtsbarkeit
In Deutschland ist die Organisation der Gerichte Sache der 16 Bundesländer. Der Spezialisierungsgrad der Gerichte ist somit von Bundesland zu Bundesland sehr unterschiedlich. In vielen Verletzungsfällen kann der Klägerselbst entscheiden, bei welchem Gericht er das Verfahren einleitet. Er kann den Sitz des Beklagten wählen oder ein beliebiges Gericht des Ortes, an dem Verletzungshandlungen begangen wurden oder drohen (forum delicti commissi). Markenverletzungssachen werden in bis zu drei Instanzen verhandelt: In erster Instanz durch die Landgerichte, in zweiter Instanz durch die Oberlandesgerichte und in dritter Instanz durch den Bundesgerichtshof. Die Zivilkammern in der ersten Instanz setzen sich aus drei Berufsrichtern zusammen. Streitsachen können auch Kammern für Handelssachen, die mit einem hauptberuflichen Richter und drei ehrenamtlichen Richtern besetzt sind, vorgelegt werden.
Die Bundesländer haben die Zuständigkeit für Markenstreitsachen auf nur ein Gericht in jedem Bundesland konzentriert. Kläger neigen dazu, diejenigen Gerichte anzurufen, die für ihre Sachkunde und dafür bekannt sind, dass sie eine große Anzahl von Markenstreitsachen bearbeiten, wie z.B. die Landgerichte in Düsseldorf, Hamburg, Frankfurt, Mannheim und München.
Anwälte können unabhängig davon, wo sie ihren Sitz haben, vor jedem dieser Gerichte auftreten.
Gegen die Urteile der Landgerichte kann bei den Oberlandesgerichten Berufung eingelegt werden. Diese zweitinstanzlichen Gerichte prüfen im Wesentlichen, ob das erstinstanzliche Urteil die Tatsachen und Beweismittel richtig gewürdigt und das Recht richtig angewandt hat. In der Berufungsinstanz erfolgt jedoch keine vollständige Verhandlung de novo. Neue Tatsachen dürfen nur unter bestimmten Voraussetzungen vorgelegt werden, z. B. wenn der Kläger oder der Beklagte nicht fahrlässig gehandelt hat, als versäumt wurde, diese Tatsachen in der ersten Instanz ins Verfahren einzubringen.
Es ist deshalb sehr wichtig, alle relevanten Tatsachen und Verteidigungsmittel bereits in erster Instanz geltend zu machen. Neue rechtliche Argumente können jederzeit vorgebracht werden, auch in zweiter Instanz. Eine Revision zum Bundesgerichtshof kann vom Berufungsgericht gestattet werden, wenn die Sache von grundlegender Bedeutung ist oder eine Entscheidung durch den Bundesgerichtshof zur Weiterentwicklung des Rechts erforderlich ist. In der Praxis gestatten die Berufungsgerichte nur selten eine Revision. Parteien, die mit einer Entscheidung unzufrieden sind, können auch beantragen, dass der Bundesgerichtshof eine Revision trotz der Weigerung des Berufungsgerichts zulässt. Solche Nichtzulassungsbeschwerden sind nur selten erfolgreich. Wird die Revision vom Berufungsgericht zugelassen oder ist die Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich, wird die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
In dieser Revision werden ausschließlich Rechtsfragen behandelt. Die Parteien müssen von einem speziellen Anwalt vertreten werden, der vor dem Bundesgerichtshof zugelassen ist. Sehr selten kann eine Sache dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe vorgelegt werden. Das Bundesverfassungsgericht dient nicht als reguläres Revisionsgericht für Gerichte niederer Instanzen oder dem Bundesgerichtshof als eine Art „Super-Revisionsinstanz“ für jegliche Verstöße gegen Bundesgesetze. Seine Zuständigkeit ist begrenzt auf verfassungsrechtliche Fragen einschließlich individueller Grundrechte wie Redefreiheit.
Die Verletzung von Unionsmarken unterliegt der Zuständigkeit der Unionsmarkengerichte. Dabei handelt es sich um nationale Gerichte, die von den Mitgliedsstaaten dazu bestimmt wurden, Unionsmarkensachen zu bearbeiten.
Im Prinzip sind die Gerichte, die für deutsche Markensachen zuständig sind, auch zu Unionsmarkengerichten ernannt worden. Unionsmarkengerichte sind unionsweit zuständig, wenn die Klage in dem Mitgliedsstaat eingereicht wird, in dem der Beklagte seinen Sitz hat oder niedergelassen ist oder, wenn dies nicht zutrifft, in dem der Kläger seinen Sitz hat oder niedergelassen ist. Falls weder der Kläger noch der Beklagte einen Sitz oder eine Niederlassung in der Europäischen Union haben, ist das Unionsmarkengericht in Alicante (Sitz des EUIPO) unionsweit zuständig. Außerdem können Klagen auch vor den Gerichten eines Mitgliedsstaats, in dem Verletzungshandlungen begangen wurden oder drohen, eingereicht werden. Dann ist die Zuständigkeit des Gerichts auf das Gebiet des Mitgliedsstaats beschränkt, in dem es niedergelassen ist (forum delicti commissi). In zweiter Instanz sind die Berufungsgerichte des Zuständigkeitsbereichs, in dem sich das Landgericht befindet, zuständig. Revisionen durch den Bundesgerichtshof sind bei Rechtsfragen möglich.
Bei Verletzungsstreitsachen in Bezug auf deutsche Marken und/oder Unionsmarken haben die Gerichte niedrigerer Instanzen die Möglichkeit und hat der Bundesgerichtshof die Pflicht, Fragen zur Auslegung des Unionsrechts dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung vorzulegen. Seit Erlass der Markenverordnung und der Unionsmarkenverordnung wurden vom EuGH über 100 Entscheidungen gefällt. Die deutschen Gerichte haben sich oft dieses Vorabentscheidungsverfahrens bedient.
8.2 Wesentliche Verfahrensgrundsätze
Ein Verletzungsverfahren wird normalerweise durch das Versenden einer Abmahnung mit einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung initiiert, die für den Fall der Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe enthält. Wird die Angelegenheit nicht im Wege einer solchen Abmahnung geklärt, leitet der Inhaber einer Marke (oder eines sonstigen intellektuellen Eigentumsrechts) normalerweise ein einstweiliges Verfügungsverfahren ein (siehe unten).
Eine Klage ist bei einem zuständigen Landgericht einzureichen. Die Parteien in Verletzungsverfahren müssen von einem Rechtsanwalt vertreten werden, der bei einer deutschen Rechtsanwaltskammer zugelassen ist und optional mit einem Patentanwalt zusammenarbeitet. Nicht-EU-Bürger, die in Verfahren vor deutschen Gerichten als Kläger auftreten, müssen auf Antrag der Beklagten eine Sicherheit für die Gebühren und Anwaltskosten leisten. Der Kläger muss Beweise für sämtliche Tatsachen erbringen, die für die Feststellung der Verletzung notwendig sind.
Ein Ausforschungsbeweis steht in deutschen Gerichtsverfahren im Allgemeinen nicht zur Verfügung. Jegliche Tatsachen, die nicht mittels Urkundenbeweis belegbar sind, können durch eine Beweisaufnahme im Rahmen einer mündlichen Zeugenvernehmung bearbeitet werden. Viele Fälle werden jedoch auf Grundlage des schriftlichen Vortrags der Parteien und einer anschließenden mündlichen Verhandlung, in welcher der vorsitzende Richter die Ansichten des Gerichts erläutert und den Parteien Gelegenheit gibt, ihre Argumente und Ausführungen vorzutragen, entschieden. Die formale Beweisaufnahme ist in Markenverletzungsverfahren vorwiegend auf den Nachweis der durch Benutzung erworbenen Kennzeichnungs- oder Unterscheidungskraft oder Bekanntheit beschränkt; die Verwechslungsgefahr beurteilt das Gericht im Allgemeinen als Rechtsfrage.
8.3 Ansprüche dem Grunde nach in Verfahren (Abhilfemittel)
Die rechtlichen Instrumente, die dem Kläger in Verletzungsverfahren zur Verfügung stehen, sind u.a. Ansprüche auf Unterlassung, Vernichtung der Verletzungsprodukte sowie detaillierte Auskunftserteilung und Rechnungslegung über Verletzungshandlungen der Beklagten sowie Ansprüche auf Schadensersatz, der auf Grundlage der Rechnungslegung berechnet werden kann (Rechnungslegung bezüglich Umsatz, Gewinn usw.). Außerdem, und infolge der Umsetzung der Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (2004/48/EG), in deutsches Recht sieht das deutsche Markenrecht Folgendes vor:
- Ansprüche auf Beweissicherung;
- Ansprüche auf Rückruf und endgültige Entfernung der Verletzungsprodukte aus den Vertriebskanälen;
- Ansprüche auf Sicherung des Schadensersatzes (Vorlage von Bank-, Finanz- oder Handelsunterlagen) unter gewissen Umständen;
- Ansprüche auf Veröffentlichung gerichtlicher Entscheidungen;
- Ansprüche auf Inaugenscheinnahme;
- eine Erweiterung bestehender Ansprüche auf Vernichtung von gefälschten Produkten und Werkzeugen, die bei der Gestaltung oder Herstellung von Verletzungsprodukten vorwiegend verwendet wurden; und
- eine Erweiterung bestehender Auskunftsansprüche.
Bezüglich des Schadensersatzes kann der Kläger zwischen drei Alternativen zur Berechnung des Schadensersatzes wählen: entgangener Gewinn, Verletzergewinn oder angemessene Lizenzgebühr. Es wird kein Strafschadensersatz zuerkannt. Während eine angemessene Lizenzgebühr normalerweise die am wenigsten aufwändige dieser Alternativen zur Berechnung des Schadensersatzes darstellt, wird immer häufiger die Berechnung gemäß Verletzergewinn angewandt, da die Rechtsprechung dem Verletzer nun den Abzug von Kosten und Auslagen von den Verkaufszahlen nur dann erlaubt, wenn (und nur soweit) sie in Ausnahmefällen direkt den Gegenständen zugeordnet werden können, die das Schutzrecht verletzen. Es dürfen somit nur die variablen Kosten der Herstellung und Vermarktung des Produkts vom generierten Umsatz des Verletzers abgezogen werden.
Außerdem kann bei der Bestimmung des Gewinns, der aufgrund der Verletzung erwirtschaftet wurde, die verletzende Partei nicht behaupten, dass dieser Gewinn teilweise ihren eigenen besonderen Vertriebsaktivitäten zuzuschreiben sei. Allgemeine Kosten dürfen also nicht mehr verwendet werden, um den Verletzergewinn zu reduzieren. Es bleibt jedoch die Frage, ob der Verletzergewinn durch die Markenverletzung oder durch andere Umstände verursacht wird, wie beispielsweise gute Kundenbeziehungen, eine marktbeherrschende Stellung, effektive Werbung oder guten Service. Dieselbe Frage stellt sich, wenn der Inhaber der Marke seinen entgangenen Gewinn beansprucht, was häufig die Zuerkennung des höchsten Schadensersatzes ermöglichen würde. Hier taucht ein weiteres Hindernis auf, wenn es auf dem Markt andere Wettbewerber außer dem Kläger und dem Beklagten gab, sodass Dritte in gewissem Maße den Umsatz des Beklagten aus den Verletzungen hätten ersetzen können, wenn es die Verletzungshandlungen des Beklagten nicht gegeben hätte.
Bei Erhebung von Verletzungsklagen in Bezug auf Unionsmarken sieht Artikel 130 der Unionsmarkenverordnung die Sanktion der Unterlassung vor. Außerdem wenden die Gerichte alle Sanktionen an, die in den Gesetzen des Landes, in dem die Verletzung stattgefunden hat, vorgesehen sind. Falls ein deutsches Unionsmarkengericht mit Verletzungen befasst ist, die in Deutschland begangen wurden, können sämtliche Sanktionen angewandt werden, die im Falle von Verletzungen deutscher Marken anwendbar sind.
8.4. Dauer der Verfahren und Fristen
Die Dauer des Verfahrens bei Markenverletzungssachen ist je nach Gericht unterschiedlich und variiert je nach Arbeitsauslastung des Gerichts. Ein Hauptsacheverfahren wegen eine Markenverletzung dauert in erster Instanz von der Klageerhebung bis zur Urteilsverkündung gewöhnlich sechs bis neun Monate. Je nach Praxis des Gerichts können in einem typischen Fall eine oder mehrere Verhandlungen stattfinden. Ordnet das Gericht eine Beweisaufnahme an, kann eine weitere Sitzung des Gerichts für die Anhörung von Zeugen oder Gutachtern stattfinden; in diesem Fall nimmt das Verfahren normalerweise noch drei weitere Monate in Anspruch. Berufungsverfahren dauern in der Regel im Schnitt etwa neun bis zwölf Monate, wobei normalerweise nur eine Gerichtsverhandlung stattfindet. Wird in der Berufungsinstanz Beweis erhoben, sollten etwa drei Monate hinzugerechnet werden.
Falls eine Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen wird, dauert das Verfahren vor diesem Gericht wahrscheinlich anderthalb bis zwei Jahre. Das Verfahren in erster Instanz beginnt damit, dass der Kläger eine umfassende Klage einreicht, welche alle relevanten Tatsachen des Falls enthält. Die Beklagte muss dann innerhalb von sechs bis acht Wochen erwidern. Innerhalb eines oder zweier weiterer Monate findet eine mündliche Verhandlung statt. Eine Entscheidung ergeht normalerweise ca. einen Monat nach der mündlichen Verhandlung. Die Entscheidung wird nicht automatisch vollstreckt, wenn Berufung dagegen eingelegt wird. Eine vorläufige Vollstreckung kann durch eine Sonderverfügung genehmigt werden.
Berufung ist innerhalb eines Monats ab Erhalt der schriftlichen erstinstanzlichen Entscheidung einzulegen. Eine umfassende Begründung muss innerhalb eines weiteren Monats eingereicht werden. Das Berufungsgericht kann diese Frist verlängern. Normalerweise hat der Berufungsbeklagte einige Monate Zeit, um auf die Berufungsbegründung zu erwidern. Eine Replik des Berufungsklägers ist dann etwa zwei Monate später zu erwarten. Eine mündliche Verhandlung findet ungefähr drei Monate später statt. Die Entscheidung ergeht innerhalb eines weiteren Monats. Die Entscheidung wird nicht automatisch vollstreckt, wenn Revision eingelegt wird. Eine vorläufige Vollstreckung der Entscheidung kann zugelassen werden, doch ihre zeitweilige Vollstreckung erfordert normalerweise die Hinterlegung einer Sicherheitsleistung.
Eine Revision kann innerhalb eines Monats nach Mitteilung der zweitinstanzlichen Entscheidung eingelegt werden. Eine umfassende Begründung muss innerhalb eines weiteren Monats eingereicht werden. Der Bundesgerichtshof kann diese Frist verlängern.
8.5 Kosten
Das Kostenrisiko bei Markenverfahren umfasst gewöhnlich die Kosten für die Rechtsanwälte und (optional) Patentanwälte beider Parteien zzgl. Gerichtskosten und Auslagen für Zeugen, Reisen etc. Es ist schwierig, eine generelle Schätzung der Verfahrenskosten in der ersten oder zweiten Instanz abzugeben. Um eine Vorstellung von der Größenordnung der Verfahrenskosten zu bekommen, sollte man sich nur auf die gesetzlichen Anwaltskosten nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz und die Gerichtskosten konzentrieren. Diese Kosten werden aufgrund des Streitwerts berechnet, der die Interessen des Klägers in der streitigen Angelegenheit widerspiegelt. Der Streitwert wird nach Ermessen des Gerichts festgelegt, basiert jedoch im Wesentlichen auf den Umsatzzahlen der Parteien. Ein typischer Fall kann in der Größenordnung von EUR 250.000 liegen.
Die Summe der Kosten für die Vertreter beider Parteien zzgl. Gerichtskosten stellt das gesetzliche Kostenrisiko dar, denn die unterlegene Partei muss auch die Kosten der obsiegenden Partei tragen. Das gesetzliche Kostenrisiko beträgt ca. EUR 25.000 in erster Instanz und ca. EUR 30.000 in zweiter Instanz. Wie die meisten anderen Kanzleien rechnet BARDEHLE PAGENBERG in Marken- und anderen Schutzrechtsangelegenheiten im Allgemeinen nach Stunden ab, was je nach tatsächlichem Arbeitsaufwand dazu führen kann, dass diejenigen unter Umständen höher sind als die Anwaltskosten gemäß der gesetzlichen Kostenregelung. Da die unterlegene Partei lediglich die gesetzlichen Kosten erstatten muss, hat die obsiegende Partei möglicherweise dennoch Kosten zu tragen, die nicht erstattungsfähig sind.