Schutzschriften beim Einheitlichen Patentgericht – warum Patentnutzer sie in Erwägung ziehen sollten

Das EPG kann einstweilige Verfügungen ex parte erteilen

Die Vorbereitungen für das Europäische Einheitliche Patentgericht (EPG) sind in vollem Gange – und zwar nicht nur bei den Richter/-innen und Kanzleien, sondern insbesondere auch bei den Patentinhabern und Patentinhaberinnen. Ab dem 1. Juni 2023 können klassische Europäische Patente und (neue) Europäische Patente mit einheitlicher Wirkung in einem einzigen Verfahren nahezu europaweit (derzeit: 17 Mitgliedsstaaten der EU) durchgesetzt werden. Dies insbesondere auch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes (Artikel 62 des Übereinkommens über ein Einheitliches Patentgericht).

Einstweilige Verfügungen (eV) können – wie im deutschen Recht – ohne Anhörung des Antragsgegners (ex parte) angeordnet werden (Regel 212 der Verfahrensordnung des EPG).

Protective brief can mitigate the risk of an ex parte PI

Diesem Risiko lässt sich nur durch die Hinterlegung einer EPG-Schutzschrift sinnvoll begegnen (Regel 207 der Verfahrensordnung des EPG). Daher gilt es zu erwägen (ggf. in Ergänzung zu bislang betreffend Deutschland hinterlegten Schutzschriften) in geeigneten Fällen eine EPG-Schutzschrift vorzubereiten und rechtzeitig am 1. Juni 2023 zu hinterlegen. Eine EPG-Schutzschrift wird genauso wie eine deutsche Schutzschrift für jeweils 6 Monate vorgehalten und der Antragsteller erfährt nur dann davon, wenn er einen UPC-Verfügungsantrag einreicht.

Folgende Gründe sprechen zusätzlich für die Hinterlegung von EPG-Schutzschriften:

  • Vor allem die aus Deutschland und den Niederlanden stammenden UPC-Richter/-innen ermutigen Patentinhaber zur regen Nutzung des einstweiligen Rechtsschutzes und lassen eine für den Patentinhaber großzügige Handhabung erwarten, insbesondere was die Frage der zeitlichen Dringlichkeit anbelangt.
  • Nach der jüngsten Rechtsprechung des EuGH kommt jedem erteilten Patent die Vermutung zu, dass es gültig ist und somit auch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durchgesetzt werden kann (ein erfolgreich durchlaufenes erstinstanzliches Rechtsbestandsverfahren ist aus Sicht des EU-Rechts nicht erforderlich).
  • Einstweilige Verfügungsverfahren sollen in nur drei Monaten abgeschlossen sein, selbst wenn ein Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt wird. Das Fristenregime wird extrem streng gehandhabt werden, Fristverlängerungen kommen kaum in Betracht. Deshalb bleibt für eine sachgerechte Verteidigung wenig Zeit.
  • Eine europaweite Unterlassungsverfügung binnen kurzer Zeit ist ein nicht zu überschätzendes geschäftliches Risiko. 
  • Nach der Rechtsprechung des EuGH ist selbst bei späterer Aufhebung einer vollzogenen Unterlassungsverfügung nicht automatisch davon auszugehen, dass die dadurch entstandenen Schäden in voller Höhe erstattbar sind.
  • Die Kosten für die Hinterlegung einer UPC-Schutzschrift sind vergleichsweise gering, die Gerichtsgebühr beträgt EUR 200.

Weiterführende Informationen über das Einheitliche Patentgericht und das Einheitspatent finden Sie auf unserer Seite UPC Special.

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Autor

Tilman Müller-Stoy
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz, Wirtschaftsmediator (MuCDR), Vertreter vor dem EPG, Partner

Tilman Müller-Stoy

Dominik Woll
Rechtsanwalt, Vertreter vor dem EPG, Partner*

Dominik Woll